Revierverhalten
Minka ist unterwegs, wie meist am späten Vormittag. Sie schlendert herum, bleibt stehen, sieht sich um, schlendert weiter, schaut einem aufgeschreckten Vogel hinterher, der in den Baumwipfeln entschwindet. Sie wandert weiter, geht dem Gartenzaun entgegen, wo die Zaunlatte fehlt und sie hindurchschlüpfen kann zu einem Sparziergang im Nachbargrundstück. Unmittelbar vor dem Zaun stoppt sie: Eine fremde Katze steht dort drüben neben dem Pflaumenbaum, die zu ihr herübersieht …..
Wenn sich zwei Katzen begegnen hängt ihr Verhalten vor allem vom Ort der Begegnung ab. Treffen sie auf neutralem Boden aufeinander, sind beide zunächst bemüht, sich zu übersehen. Beide beschäftigen sich damit, den Ort zu untersuchen, alles zu beschnuppern. Erst danach wenden sie sich einander zu. Sie gehen sich vorsichtig und langsam entgegen, die Nasen befinden sich in gleicher Höhe, berühren sich aber nicht. Sie umschleichen sich seitlich und beschnuppern sich und versuchen, die Analgegend der anderen zu kontrollieren. Sind beide freundlich, gestattet die eine dies der anderen, indem sie entgegenkommend den Schwanz hebt. Fühlt sich eine jedoch überlegen, versucht sie, diese Kontrolle zu verhindern. Meist faucht dann die Unterlegene und schlägt mit der Pfote durch die Luft. Danach sitzen beide dann einander in gebührendem Abstand gegenüber und blicken umher.
Katzen kommen sich nicht gern gegenseitig ins Gehege, sie versuchen meist, Begegnungen mit Artgenossen zu verhindern. Begegnen sie sich in Streifgebieten, wird der anderen meist Durchgang gewährt.
Eine erwachsene Katze hat ihren gesamten Heimbezirk unter Kontrolle, sie achtet streng darauf, wer und was sich in ihrem eigenen Revier tummelt. Wenn sie Junge aufzieht, verteidigt sie ihr Revier mit wilder Entschlossenheit und lässt auch in Grenzgebieten nicht gerade Großzügigkeit walten. In der Paarungszeit geht alles drunter und drüber. In dieser Ausnahmesituation hält sich niemand mehr an irgendwelche Umgangsformen.
Die Markierung des eigenen Reviers wird mit Versprühen von Urin signalisiert, dient aber bei Katzen wahrscheinlich nicht - wie bei anderen Tierarten - unbedingt als Haltesignal für Artgenossen. Es scheint gerade bei Katzen eine andere Bedeutung zu haben, denn es ist kaum zu beobachten, dass eine derartige Markierung Artgenossen davon abhält, weiterzugehen, nachdem sie die entsprechende Duftmarke berochen haben. Verhaltensforscher vermuten hier, dass die Markierungen lediglich dazu dienen, unerwartete Begegnungen und Auseinandersetzungen zu vermeiden. Denn Katzen erkennen anhand der Duftmarken, wer hier gerade wann und wohin unterwegs war.
Bei der Begegnung von Katzen hängt der Rang völlig davon ab, an welchem Ort und zu welcher Zeit sie aufeinander treffen.
Bei Katern hingegen gibt es eine absolute Rangordnung. Die soziale Position wird durch den Ausgang von Rivalitätskämpfen, die revierunabhängig sind, hergestellt. Begegnen sich zwei etwa gleich starke Kater zum ersten Mal, wird meist entschieden, wer von nun ab als der Stärkere zu gelten hat.
Hinter einer Hecke stehen sich Nachbars schwarzer Kater Caruso und der große grau-weiße Kater, der neu in der Gegend ist, grollend dicht gegenüber, die Ohren angelegt. Der Grau-Weiße fährt plötzlich zu, Caruso wirft sich auf den Rücken, wildes Gekreisch. Der Grau-Weiße schlägt, beide liegen auf der Seite, Bauch gegen Bauch. Caruso zieht den Grau-Weißen mit der Tatze heran und bearbeitet ihn gleichzeitig mit den strampelnden Hinterbeinen. Der Grau-Weiße lässt ab, beide gehen wieder in Angriffsstellung, wieder greift der Grau-Weiße an. Diesmal bleibt Caruso geduckt mit angelegten Ohren sitzen. Der Grau-Weiße steht eine Weile mit steilen Ohren vor ihm, schnuppert dann seitwärts am Boden und geht schließlich langsam zur Seite ab. Erst als er die Hecke erreicht hat, richtet sich Caruso langsam auf und kriecht durch eine Lücke im Zaun nach der anderen Seite. Zukünftig wird der Grau-Weiße bei künftigen Begegnungen nur noch Imponiergehabe zeigen; der Verlierer wird ihm die gehobene Stellung nicht mehr streitig machen.
Neben der absoluten Rangordnung besteht auch unter Katern - ebenso wie bei Katzen - eine relative Rangordnung, denn auch sie besitzen ein Heim erster Ordnung und ein Streifgebiet; nur betrachten sie das lockerer als Katzen und lassen viel eher mal “Fünfe gerade sein“. Bei ihnen hat meist immer der Revierbesitzer den Vortritt, selbst wenn er der Rangniederere ist.
Jungkater müssen sich irgendwann den Älteren im Bezirk stellen. Tun sie dies nicht, haben sie verspielt. Sie werden künftig zwar in Ruhe gelassen, gelten aber als minderwertig. Das gleiche widerfährt Jungkatern, die sich Kleinkriegen lassen oder sich vorzeitig unterwerfen. Sie haben in ihren Kreisen nichts mehr zu bestellen. Diese Missachtung wirkt sich unterschiedlich auf sie aus; manche wandern ab, andere sind so verschüchtert, dass sie sich nicht mehr aus dem Haus trauen.
Der couragierte Jungkater hingegen aber stürmt schon bei der ersten Herausforderung den anderen entgegen, greift tollkühn an, steckt die härtesten Hiebe und tiefsten Bisse ein. Erst wenn er ziemlich erschöpft ist, rettet er sich ins Haus. Doch sobald die Wunden vernarbt und die Kräfte wieder hergestellt sind, ist er erneut kampfbereit. Und je häufiger er in den Ring steigt, desto mehr Boden gewinnt er.
Die schöne Ordnung, die Katzen entwickelt haben und die ihr Zusammenleben sinnvoll regelt und im Gleichgewicht hält, ist allerdings dahin, wenn zu viele Katzen auf engem Raum gehalten werden. Hier schwingt sich meist in Kürze ein starker Kater zum Tyrannen auf, der alle anderen unterdrückt. Weit abgeschlagen ganz am Ende der Rangordnung stehen ein paar Katzen oder Kater, die nicht nur von den Spitzentieren, sondern von der ganzen Horde unterjocht werden. Die Unterdrückten - seltsamerweise keinesfalls immer nur die schwächsten Tiere - müssen ihre attraktiven Ruheplätze sofort verlassen, wenn der Superkater sie beansprucht, sie dürfen nur fressen, was übrig gelassen wird, sie können sich nicht frei bewegen, meist nur, wenn Superkater ein Schläfchen macht. Früher oder später stellen sich bei diesen Tieren schwere Neurosen ein.